O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 20 05, 181-206 Eğitim Fakültesi Dergisi http://kutuphane. uludag. edu. tr/Univder/uufader. htm Konkrete Poesie in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache Orhan Özmut Uludağ Universität, Erziehungswissenschaftliche Fakultät ozmut@uludag.edu.tr Zusammenfassung. Die Konkrete Poesie wird in vielen Kreisen als geeignetes Mittel für die auszubildende kommunikative und sprachliche Kompetenz bezeichnet. Im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht wird des Öfteren von ihr Gebrauch gemacht und auch in Lehrwerkreihen für Deutsch als Fremdsprache ist sie mehrmals vertreten. Mit dieser Arbeit soll gezeigt werden, welche Ziele Lehrwerke mit dieser Lyrik anstreben und wie diese Art von Lyrik in den für diese Arbeit ausgewählten Lehrwerken eingesetzt worden ist. In den Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache kann der Gebrauch der Konkreten Poesie verschiedene Ziele verfolgen. Bei Erweiterung des Wortschatzes, bei Förderung sprachlicher Kompetenzen, bei Schulung von Aussprache und Entwicklung von Interpretationsvermögen und bei Festigung grammatiklalischer Regeln wird von dieser Lyrik Gebrauch gemacht. Schlüsselwörter: Konkrete Poesie, Deutsch als Fremdsprache-Unterricht, Deutsch als Fremdsprache-Lehrwerke, Sprachliche Kompetenz. Özet. „Somut Şiir“, birçok çevrelerce iletişimsel ve dilsel yetinin geliştirilmesinde uygun bir araç olarak kabul görmektedir. “Yabancı Dil 181 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 Olarak Almanca” derslerinde “Somut Şiir” yadsınamayacak derecede önemli bir yer tutar ve bu şiir türüne ders kitaplarında da sıklıkla yer verilmektedir. Bu çalışma “Somut Şiir”in ders kitaplarında hangi hedeflere yönelik kullanılabileceğini ve belirlenen ders kitaplarında ne şekilde kullanıldığını gözler önüne sermektedir. “Yabancı Dil Olarak Almanca” derslerinde okutulmak üzere hazırlanan ders kitaplarında “Somut Şiir”in kullanımı farklı amaçlar taşıyabilir. Öğrencilerin kelime hazinelerini geliştirmelerinde, sözlü anlatım, telaffuz ve yorumlama yetilerini arttırmalarında ve dilbilgisi kurallarını öğrenmelerinde “Somut Şiir”den yararlanılmaktadır. Anahtar Kelimeler: Somut Şiir, Yabancı Dil Olarak Almanca, Yabancı Dil Olarak Almanca Ders Kitapları, Dilsel Yeti. 1. Einleitung In vielen Kreisen wird die Konkrete Poesie als geeignetes Mittel für die auszubildende kommunikative und sprachliche Kompetenz bei Fremdsprachenlernenden bezeichnet, weswegen auch viele Lehrwerke für DaF in ihrem Gesamtkonzept Gebrauch von ihr machen. Bei der Anwendung der Konkreten Poesie im Fremdsprachenunterricht steht größtenteils der Aspekt des Spracherwerbs im Vordergrund. Daher ist es sehr wichtig zu bestimmen, welche Texte bei welchen Adressaten ausgewählt werden und welche Funktion diese Texte übernehmen sollen. Gerade an dieser Stelle wird Lehrwerken für DaF eine wichtige Aufgabe zugeschrieben. In der didaktischen Fachliteratur wird der Einsatz konkreter Texte ausnahmslos empfohlen (vgl. Krechel 41). Es wird angesprochen, dass konkrete Texte zum Abbau von Sprechangst verhelfen. Weil Sprache etwas Soziales ist, besteht auch öfters die Angst, sich vor Mitlernenden zu blamieren. Konkrete Texte jedoch sind meistens schon bewusst vom Autor selbst manipuliert. Dadurch wird der Fremdsprachenlerner in seinem Spracherwerbprozess entlastet. Gerade zu diesem Punkt schreibt Krechel folgendes: 182 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 „Über diese grundsätzliche Resonanz hinaus fällt auf, daß auch und besonders Lerner, die im Unterricht eher zurückhaltend und gehemmt wirken, die der Lehrer unter Umständen zu den „schwächeren Schülern“ zählen würde, im Unterrichtsgespräch unerwartet große Aktivität zeigen und sich zu spontanen und originellen Beiträgen ermutigt fühlen. Diese Beobachtung habe ich mehrfach in eigenen Kursen gemacht...“ (Krechel 83-84) Bei der Konkreten Poesie im Fremdsprachenunterricht steht immer ein spielerischer Umgang mit der Sprache im Vordergrund. Die Leerstellen, die ein konkreter Text mit sich bringt, werden vom Lerner assoziativ gefüllt. Er kann eigene Erfahrungsinhalte in den Text mit einbauen. Diese Texte richten einen Appell an die Phantasie des Fremdsprachenlerners und lassen ihn Teil des Gedichtes werden, womit der Rezipient wiederum seine Sprachangst abbauen kann. Ein weiteres Ziel der Konkreten Poesie ist auch „die Förderung der sprachlichen Kreativität“. Entweder wird in Analogie zu vorgegebenen Mustern gearbeitet oder ein an Regelvorgaben orientiertes Gestalten ermöglicht dem Lerner seine Kreativität zu entfalten. Krusche und Krechel äußern sich hierzu wie folgt: „Diese neue Themabildung braucht beim Lernenden gar nicht besonders ins Bewußtsein zu rücken. Da Spiele in der Fremdsprache fast immer von bereits erworbenem, pragmatisch gescheitertem Sprachmaterial ausgehen, dieses per Analogie erweitern und abwandeln, wird unvermeidlicherweise von tatsächlichen Möglichkeiten der Fremdsprache ausgegangen; die Abwandlung geht dann so weit, wie der assoziierende Einfall des Spielenden einerseits, der Lexemvorrat und die morphematisch-syntaktischen Regelkenntnisse einerseits das Spiel tragen.“ (Krusche und Krechel 76) Wie aus diesem Zitat zu entnehmen ist, kann ein Fremdsprachenlernender nur von schon erworbenem Sprachmaterial ausgehen. Deshalb ist seine Kreativität im eigentlichen Sinne auch mit seinem bisher erworbenen Wortschatz beschränkt. Ein weiteres Ziel der Konkreten Poesie ist aber auch eine spezifische Art des Lesens kennen zu lernen. Der Rezipient muss Beziehungen der einzelnen Stellen in einem Konkreten Gedicht zueinander setzen. Diese Rezeptionssituation fördert somit ein distanziertes und kritisches Lesen. 183 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 Wiederum ein anderes Ziel dieser Art von Gedichten kann auch der Grammatikunterricht sein. Zur Festigung der Sprachkompetenz wird die Konkrete Poesie auch im Grammatikunterricht eingesetzt, wobei grammatikalische Strukturen durch häufiges Wiederholen, was dem Charakter der Konkreten Poesie zu Grunde liegt, dem Lernenden gezeigt werden. Durch die Eigenschaft wiederkehrender gewisser Strukturen in einem konkreten Gedicht, werden dem Lernenden diese Aussagen, bzw. Strukturen, eingeprägt. Außerdem verweisen konkrete Texte sehr oft auch auf die Abweichungen besonderer Regeln (vgl. Krechel 90). Plötzlich ist der Leser mit einer ihm fremden Situation konfrontiert. Dadurch wird der Fremdsprachenlerner dazu gezwungen, auch im Bereich der Grammatik etwas vorsichtiger zu sein und aufzupassen. In der fachdidaktischen Literatur der Konkreten Poesie wird des Öfteren behauptet, dass diese Texte auch eine „narrative Kompetenz“ fördern. Damit ist gemeint, dass anhand fehlender Kontexte in einem konkreten Gedicht die Bedeutungsebenen ausdiskutiert werden können. Somit können also auch Kommunikation, Gruppen- und Dialoggespräche gefördert werden. Durch diese besondere Art der Kommunikation können in multinationalen und multikulturellen Lernergruppen natürlich auch interkulturelle Kompetenzen gefördert werden. Der Lerner kann dazu befähigt werden, sein eigenes Weltverständnis zu relativieren (vgl. Krechel 94). Fremdinterpretationen können hierdurch auch besser verstanden werden. Nachdem ein kurzer Überblick darüber geschaffen wurde, welche verschiedenen Ziele im DaF-Unterricht mit Hilfe der Konkreten Poesie angestrebt werden können, sollte nun untersucht werden, wie die Konkrete Poesie in kurstragenden Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache eingesetzt ist, welche dieser Ziele also hauptsächlich von Experten, die diese Lehrwerke schreiben, vor Augen gehalten werden. Für diese Arbeit sind „Deutsch aktiv Neu“, „Moment mal“ und „Stufen International“ ausgewählt worden, weil diese Lehrwerkreihen zu den bekanntesten auf ihrem Gebiet zählen und im Gegensatz zu einigen anderen Lehrwerken auch mehr Gebrauch von der Konkreten Poesie machen. 2. Deutsch Aktiv Neu In der kurstragenden Lehrwerkreihe „Deutsch aktiv Neu“ wird in einigen Kapiteln von der Konkreten Poesie Gebrauch gemacht. Das erste dieser Gedichte befindet sich auf Seite 56 des „Lehrbuches 1A“ (Neuner und andere 1986, 56). Es ist das Gedicht „empfindungswörter“ von Rudolf Otto Wiemer: 184 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 aha die deutschen ei die deutschen hurra die deutschen pfui die deutschen ach die deutschen nanu die deutschen oho die deutschen hm die deutschen nein die deutschen ja ja die deutschen Zu diesem Gedicht wird im Lehrbuch zwar keine Übung formuliert, jedoch gibt es acht Fotos, die den Inhalt unterstützen. Es ist nicht zu übersehen, dass diese Bilder in Bezug mit den „Empfindungswörtern“ stehen. Es besteht also die Möglichkeit, jede Zeile und jedes Empfindungswort einem passenden Bild zuzuordnen. Es wurden typisch deutsche Bilder und Situationen ausgesucht, damit der Fremdsprachenlerner die Bezüge leicht herstellen kann. Zu der Behandlung des Gedichts im Unterricht gibt es in der „Lehrerhandreichung 1A“ einige Vorschläge. Zuerst wird erklärt, was man mit Empfindungswörtern alles ausdrücken kann, zu welchem Zweck sie dienen und darauf hingedeutet, dass jedes Bild unterschiedliche Reaktionen bei den Kursteilnehmern auslösen kann. Es wird vorgeschlagen, zu jedem Bild ein Assoziogramm mit den Einfällen der Kursteilnehmer zu erstellen. Außerdem werden Wörter und Bilder, welche die Lernenden zuordnen müssen, als Hilfe im „Arbeitsbuch 1A“ zu dieser Übung gegeben. In Kapitel 5 folgen gleich drei konkrete Gedichte auf einmal. Das erste Gedicht ist „fünfter sein“ von Ernst Jandl. Dieses Gedicht kommt sowohl in „Stufen International 2“ als auch in „Moment mal 1“ vor und wird in „Teil 3“ dieser Arbeit gezeigt. Das zweite Gedicht ist „Markierung einer Wende“, wiederum von Jandl. Dieses Gedicht wird auch in „Stufen International 3“ bearbeitet (siehe „Teil 4“). Das dritte Gedicht heißt „Lehrreich“ und ist von Burckhard Garbe (Neuner und andere 1986, 70): ERSTES REICH ZWEITES REICH DRITTES REICH DRITTES REICHT 185 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 Zu keinem dieser Gedichte sind Übungen im „Lehrbuch 1A“ vorhanden. Sie dienen als Hörtexte, und es wird nur ein Verweis auf die Kassette gemacht. Die Kursteilnehmer sollen sich diese Gedichte anhören. Die Übungen, die der Lehrer mit diesen thematisch auch sehr unterschiedlichen Gedichten machen soll, sind seiner Phantasie überlassen. Interessant ist aber ein großes Bild von Ernst Jandl, das mit diesen Gedichten zusammen gegeben wird. Es werden aber wieder in der Lehrerhandreichung zum „Lehrbuch 1A“ Anregungen für den Lehrer gegeben, damit er seinen Unterricht besser gestalten kann. In den drei Gedichten dieses Kapitels wird mit Wörtern gespielt. Hier werden Strukturen der Sprache verformt, variiert, nachgebildet und kommentiert. Danach werden für alle drei Gedichte kleine Unterrichtsvorschläge in der „Lehrerhandreichung 1A“ gegeben. Ein weiteres konkretes Gedicht in „Deutsch aktiv Neu Lehrbuch 1A“ ist in Kapitel 6A dieser Lehrwerkreihe. Es ist wieder von Rudolf Otto Wiemer und heißt „unbestimmte zahlwörter“ (Neuner und andere 1986, 85): alle haben gewußt viele haben gewußt manche haben gewußt einige haben gewußt ein paar haben gewußt wenige haben gewußt keiner hat gewußt Mit diesem Gedicht werden den Kursteilnehmern die unbestimmten Zahlwörter in abgestufter Reihenfolge und die Perfektform von dem Verb „wissen“ gezeigt. Der Kursteilnehmer soll sich Gedanken darüber machen, wer „alle, viele ... keiner“ sind. Es soll danach interpretiert werden, was diese Personen gewusst haben und was nicht. Die Lernenden sollen danach aufschreiben, was das Gedicht ihrer Meinung nach bedeuten könnte. Hierbei sind die eigenkulturellen Assoziationen und teilweise auch etwas Vorwissen über Deutschland entscheidend. Ein weiteres konkretes Gedicht in „Deutsch aktiv Neu Lehrbuch 1A“ ist „possesivpronomen“ wiederum von Rudolf Otto Wiemer (Neuner und andere 1986, 115): 186 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 meine haut ist nicht deine haut dein hunger ist nicht mein hunger sein gewehr ist nicht mein gewehr unser hitler ist nicht mein hitler eure schuld ist nicht meine schuld ihre mauer ist nicht meine mauer Mit diesem Gedicht werden im Lehrbuch nur die besitzanzeigenden Fürwörter geübt. Eine weitere Übung wird zu diesem Gedicht an dieser Stelle nicht gegeben. In der Lehrerhandreichung wird zusätzlich ergänzt, dass jede Zeile eine Abgrenzung gegenüber einem Problem bedeutet, welches man sich nicht zu nahe kommen lassen will. Es wird als Übung vorgeschlagen, einzelne Zeilen zu besprechen, damit festgestellt werden kann, welches Problem jeweils angesprochen wird. Gegebenfalls wird empfohlen, dass die Lernenden selbst Zeilen dazu erfinden oder ein ganz neues Gedicht analog zur Vorlage verfassen. Wir sehen, dass in „Deutsch Aktiv Neu 1A“ die Konkrete Poesie Anwendung findet, dass jedoch fast keine Übungen zu diesen Gedichten im Lehrbuch direkt formuliert werden. Interessant ist aber die Feststellung, dass in „Deutsch aktiv Neu 1A“ deutschsprachige Literaten des 20. Jahrhunderts vorgestellt werden (vgl. Neuner und andere 1986, 90-91). Auch im Arbeitsbuch von „Deutsch Aktiv 1A“ sind keine konkreten Gedichte vorhanden. Nur auf den Seiten 84-85 des Arbeitsbuches werden die Begriffe „Haus“, „Zug“, „Auto“, „Brot“ und „Tür“ ideogrammartig verwendet. Mit den Buchstaben des betreffenden Wortes werden die Begriffe, wie folgt, bildhaft dargestellt (Neuner und andere 1987a, 85). In „Deutsch aktiv Neu 1B“ kommen nur in zwei Kapiteln konkrete Gedichte vor. Das erste davon ist in Kapitel 10 des „Lehrbuches 1B“. Es ist wieder von Rudolf Otto Wiemer und heißt „Zeitsätze“, (Neuner und andere 1987b, 31): 187 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 Als wir sechs waren hatten wir Masern. Als wir vierzehn waren, hatten wir Krieg. Als wir zwanzig waren, hatten wir Liebeskummer. Als wir dreißig waren, hatten wir Kinder. Als wir dreiunddreißig waren, hatten wir Adolf. Als wir vierzig waren, hatten wir Feindeinflüge. Als wir fünfundvierzig waren, hatten wir Schutt. Als wir achtundvierzig waren, hatten wir Kopfgeld. Als wir fünfzig waren, hatten wir Oberwasser. Als wir neunundfünfzig waren, hatten wir Wohlstand. Als wir sechzig waren, hatten wir Gallensteine. Als wir siebzig waren, hatten wir gelebt. Im Lehrbuch wird von den Lernenden verlangt, dass sie selbst auch Zeitsätze wie in diesem Gedicht schreiben. Weiterhin folgt hier aber keine Übung. In der „Lehrerhandreichung 1B“ werden dann zusätzliche Übungen für den Unterricht vorgeschlagen. Interpretationsversuche und das Anlegen einer Tabelle sind z.B. einige solcher Übungen. Zusätzlich wird empfohlen, die hier gelernte Grammatik durch weitere Übungen zu ergänzen. Auch im Arbeitsbuch von „Deutsch aktiv Neu 1B“ gibt es ergänzende Übungen zu diesem Gedicht. Es sollen mit Hilfe dieses Gedichts starke und schwache Verben im Perfekt und Präteritum geübt werden. In Kapitel 13 des Lehrbuches „Deutsch aktiv Neu 1B“ ist auch ein Gedicht von Uwe Timm zu finden. Es heißt „Erziehung“ (Neuner und andere 1987b, 77): 188 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 laß das komm sofort her bring das hin kannst du nicht hören hol das sofort her kannst du nicht verstehen sei ruhig faß das nicht an sitz ruhig nimm das nicht in den Mund schrei nicht stell das sofort wieder weg paß auf nimm die Finger weg sitz ruhig mach dich nicht schmutzig bring das sofort wieder zurück schmier dich nicht voll sei ruhig laß das wer nicht hören will muß fühlen Zu diesem Gedicht wird wiederum nur in der „Lehrerhandreichung 1B“ ein Vorschlag für den Gebrauch im Unterricht gemacht. Das Gedicht soll gemeinsam gelesen werden. Danach soll der Wortschatz erklärt werden. Nachdem keine fremden Wörter mehr vorhanden sind, sollen die Lernenden versuchen, die einzelnen Zeilen zu umschreiben. Sie sollen also verschiedene Möglichkeiten finden, die Aufforderungen anders zu formulieren. Wie festzustellen ist, hat dieses Gedicht größtenteils die Funktion, den neuen Wortschatz zu vermitteln. In „Deutsch aktiv Neu 1B“ sind weiterhin keine konkreten Gedichte mehr vorhanden. In „Deutsch aktiv Neu 1C“ ist nur ein einziges konkretes Gedicht zu finden und zwar in Kapitel 18 des Lehrbuches. Es ist von Ernst Jandl und heißt „familienfoto“ (Neuner und andere 1989, 26): 189 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 der vater hält sich gerade die mutter hält sich gerade der sohn hält sich gerade der sohn hält sich gerade der sohn hält sich gerade der sohn hält sich gerade der sohn hält sich gerade die tochter hält sich gerade die tochter hält sich gerade In diesem Kapitel wird mit dem Gedicht von Ernst Jandl zusammen auch der Dichter selbst ganz kurz vorgestellt, indem gesagt wird, dass Jandl 1925 in Wien geboren ist, dass er zu den bekanntesten österreichischen Dichtern der Gegenwart zählt und dass er unter anderem Gedichte und Hörspiele geschrieben hat. Außer diesen Bemerkungen weist das „Lehrbuch 1C“ auf die Übungen im „Arbeitsbuch 1C“ hin. Ansonsten werden keine speziellen Übungen im Lehrbuch gemacht. Aber auch im Arbeitsbuch sind die Übungen nicht direkt auf das Gedicht bezogen. Die Lernenden sollen z.B. selbst ein Familienfoto mitbringen und es beschreiben. Außerdem soll ein Assoziogramm zum Thema „Familie“ erstellt werden. In der Lehrerhandreichung zum „Lehr- und Arbeitsbuch 1C“ werden danach aber ausführlich auf drei Seiten verschiedene Vorschläge gemacht, „was man alles mit diesem Gedicht machen kann“ (vgl. Neuner und andere 1991, 45- 48). Wie festzustellen ist, ist die Anwendung der Konkreten Poesie nicht sehr tiefgreifend in der Lehrwerkreihe „Deutsch aktiv Neu“. Auffallend ist, dass im Lehrbuch kaum Übungen angeboten werden. Die Anregungen und Hilfen für die meisten konkreten Gedichte in der Lehrwerkreihe „Deutsch aktiv Neu“ befinden sich in den „Lehrerhandreichungen 1A, 1B und 1C“. Das hat natürlich einen Nachteil für die Lernenden, die zu Hause selbst arbeiten wollen oder für die, die eine Unterrichtseinheit verpasst haben. 3. Moment Mal Im Lehr- und Arbeitsbuch von „Moment mal 1“ wird in verschiedenen Kapiteln die Konkrete Poesie eingesetzt. In Kapitel 7 „Farben, Häuser, Landschaft“ von „Moment mal Lehrbuch1“ wird im Wortschatzteil mit Konkreter Poesie gearbeitet (vgl. Müller und andere, 1996, 46). Hier sind Teile aus einer Landschaft und verschiedene Gebäude ideogrammartig dargestellt. Es wird versucht, mit den einzelnen Buchstaben jedes Wortes 190 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 das Wort selbst zu verbildlichen. Somit wird versucht, ein Wörter-Bild zum Thema Landschaft zu machen. Danach werden Aufgaben gegeben, bei denen von den Lernenden zuerst verlangt wird, dass sie die Wörter finden und verstehen. Danach wird vorgeschlagen, dass die Lernenden z.B. selbst ein Wörter-Bild aus Himmel, Wolke, Weg, Dorf, Villa und Kreuzung zeichnen. Eine ähnliche Anwendung ist auch in „Deutsch aktiv Neu“ anzufinden, über die in „Teil 2“ dieser Arbeit schon berichtet wurde. Es ist im Prinzip dasselbe Verfahren. Einige Beispiele aus diesem Kapitel in „Moment mal Lehrbuch 1“ sehen folgendermaßen aus: Diese Abbildungen stehen im 7. Kapitel im Wortschatzteil. Mit einer Technik der Konkreten Poesie soll den Fremdsprachenlernenden bei der Aneignung neuer Wörter geholfen werden. Es ist zu sehen, dass diese Technik dazu dient, sich einen neuen Wortschatz leichter einzuprägen, da das Bildhafte und Ideogrammartige den Lernprozess unterstützt. Weiterhin kommt im Ausspracheteil des 8. Kapitels im Arbeitsbuch das Gedicht „fünfter sein“ von Ernst Jandl vor (Lemcke und andere 86): tür auf tür auf tür auf tür auf tür auf einer raus einer raus einer raus einer raus einer raus einer rein einer rein einer rein einer rein einer rein vierter sein dritter sein zweiter sein nächster sein tagherrdoktor 191 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 Auf der Aussprache-Kassette wird das Gedicht vorgesprochen. Die Lernenden sollen es halblaut mitlesen und nachsprechen. In diesem Ausspracheteil wird das „r“ geübt. Die Lernenden sollen herausfinden, welches „r“ betont und welches nicht betont wird. Es ist bekannt, dass bei der Konkreten Poesie ein gewisser Rhythmus und eine Wiederholung bestimmter Elemente erfolgt. Das Gedicht „fünfter sein“ von Ernst Jandl ist in dieser Hinsicht gerade ideal, weil das „r“ hier sehr oft wiederholt wird. Das Wiederkehrende „r“ und der besondere Rhythmus in diesem konkreten Gedicht fallen sofort auf. In Kapitel 10 von „Moment mal Lehrbuch 1“ begegnen wir im Wortschatzteil wieder einem Gedicht von Ernst Jandl. Es ist das Gedicht „wanderung“, (Müller und andere 1996, 68): vom vom zum zum vom zum zum vom von vom zu vom vom vom zum zum von zum zu zum vom zum zum vom vom vom zum zum und zurück Zuerst sollen die Lernenden sich dieses Gedicht anhören, danach selbst lesen und variieren. Die Lernenden werden dabei gefragt, was dieses Gedicht bei ihnen hervorruft und was „Wanderung“ bedeutet. Mit ihm können Ausgangspositionen und Ankunftsziele durch den Gebrauch von den Präpositionen „von“ und „zu“ geübt werden. Letztendlich wird von den Lernenden verlangt, dass sie auch selbst ein Gedicht schreiben, indem sie das vorgegebene Gedicht als Muster beibehalten und mit Hilfe dieser Struktur nun variieren sollen. Die Übung sieht dann folgendermaßen aus: 192 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 Titel:_____________ von ______ zu ______ von ______ zu ______ von ____ zu ______ von ______ zu ______ von ____ zu ______ von ______ zu ______ von ______ zu ______ und zurück An Stelle von jeder zweiten Präposition sollen die Lernenden nun passende Begriffe schreiben. Somit wird der Wortschatz eingeprägt, Grammatik geübt, indem diese Präpositionen eingeführt werden. Im 11. Kapitel von „Moment mal Lehrbuch 1“ finden wir diesmal wieder im Ausspracheteil literarische Texte. Es handelt sich hier wiederum um Konkrete Poesie. Es sind die Gedichte „Umgangsformen“ von Kurt Marti und „für sorge“ von Burkhard Garbe zu finden (Müller und andere 1996, 77): Umgangsformen für sorge Mich ichze ich ich für mich Dich duze ich du für dich Sie sieze ich er für sich Uns wirze ich wir für uns Euch ihrze ich ihr für euch Sie sieze ich jeder für sich Ich halte mich an die Regeln. 193 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 Da von ihrer Form und von der Länge her kurze literarische Texte für den Fremdsprachenunterricht geeigneter sind, werden hier in diesem Teil von „Moment mal Lehrbuch 1“ Gedichte gegeben, und weil konkrete Gedichte die didaktische Seite des Sprachenlernens sehr stark betonen, wird an dieser Stelle der Fremdsprachenlerner auch mit diesen Gedichten vertraut gemacht. Der Fremdsprachenlerner soll sich die Hörtexte anhören und nachsprechen. Da konkrete Gedichte für die Interpretation besonders geeignet sind, soll hier im Ausspracheteil danach eine Diskussion erfolgen. Hier ist zu sehen, wie die „narrative Kompetenz“ entwickelt werden kann (siehe Einleitung). Zuletzt werden Lernende mit Hilfe einiger Anhaltspunkte im „Arbeitsbuch 1“ aufgefordert, mit einem dieser Gedichte zu experimentieren (vgl. Lemcke und andere 120). Im Lehrbuch „Moment mal 2“ hingegen wird die Konkrete Poesie nur im Grammatikteil von Kapitel 25 eingesetzt. In diesem Kapitel werden zu den Grammatikthemen zwei entsprechende konkrete Gedichte gegeben, in denen die geübte Grammatik auch vorkommt. Das erste Gedicht „Herr Paulke erzählt“ ist von Hans Manz (Müller und andere 1997a, 80): So wohnte ich früher: Im Stockwerk unter mir: Unbekannte. Im Stockwerk über mir: Unbekannte. (...) Dazwischen ich: Ein den Unbekannten Unbekannter. Dieses Gedicht wird zum Thema „Adjektive als Substantive: Deklination“ gegeben. Die Lernenden sehen, dass aus „unbekannt“ Substantive gebildet werden können. Das zweite Gedicht „Einer ist keiner“ ist von Volker Ludwig (Müller und andere 1997a, 81): Einer ist keiner, zwei sind mehr als einer! Sind wir aber erst zu dritt, machen auch die anderen mit! Dieses Gedicht wird zum Grammatikthema „bestimmter und unbestimmter Artikel als Pronomen“ gegeben. Hier lernt man, dass z.B. „einer“, „keiner“ oder „zwei“ als Pronomen verwendet werden können. Außer diesen beiden 194 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 Gedichten in Kapitel 25 des Lehrbuchs „Moment mal 2“ kommen keine konkreten Gedichte mehr vor. In „Moment mal Arbeitsbuch 2“ wird folgendes Gedicht von Hans Manz in Kapitel 16 verwendet (Wertenschlag und andere 1997, 12): ja jaja o ja ach ja aber ja na ja jawohl ja doch ja eben ja klar ja so? Mit diesem Gedicht wird eine Zeichnung gegeben, auf der eine Frau zu sehen ist, die sich nicht entscheiden kann, welches Kleidungsstück sie kaufen soll. Die Aufgabe hierzu lautet „Jemanden beraten“. Die Fremdsprachenlerner sollen zu zweit kleine Dialoge erfinden, in denen einer die Rolle der Frau übernimmt, die ständig nach einem Kleidungsstück fragt, während der andere Partner sie berät und die Aussagen aus dem Gedicht auch benutzt. Z. B.: (A: „Steht mir diese Bluse?“ / B: „Ja klar, sie passt sehr gut zu dir!“, oder: A: „Wie findest du die grüne Jacke?“ / B: „Na ja, nicht besonders!“ usw.). Im Arbeitsbuch von „Moment mal 2“ wird außerdem in einer Übung von Kapitel 17 das Ideogramm „ping pong“ von Eugen Gomringer gegeben (Wertenschlag und andere 1997, 23): ping pong ping pong ping pong ping pong ping pong Dieses Gedicht steht als Übung im Ausspracheteil und soll nur als rhythmische Leseübung dienen. Eine weitere Aufgabe zu diesem Gedicht wird also nicht formuliert. Wiederum nur im Ausspracheteil folgt in Kapitel 24 „Spuren im Sand“ von Hans Baumann (Wertenschlag und andere 1997, 85): 195 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 Ging da ein Weißer, ein Schwarzer, ein Roter? Der Sand sagt: Ein Mensch. Das nächste Gedicht steht in Kapitel 29 und ist von Robert Gernhardt (Wertenschlag und andere 1997, 130): Immer einer behender als du Immer einer begabter als du Immer einer berühmter als du Du kriechst Du liest Du stehst in der Zeitung Er geht Er lernt Er steht im Lexikon Du gehst Du lernst Du stehst im Lexikon Er läuft Er forscht Er steht in den Annalen Du läufst Du forschst Du stehst in den Annalen Er fliegt Er findet Er steht auf dem Sockel In dem Lehrbuch „Moment mal 3“ (vgl. Scherling und andere) und Arbeitsbuch „Moment mal 3“ (vgl. Wertenschlag und andere 1998) werden weiterhin keine Konkreten Gedichte mehr benutzt. Somit kann abschließend zum Einsatz und Gebrauch der Konkreten Poesie in der Lehrwerkreihe „Moment mal“ für Deutsch als Fremdsprache gesagt werden, dass die Anwendung der Konkreten Poesie von Band 1 zu Band 3 abschwächt und dass „Moment mal“ mehr in den Anfangsstadien des Fremdsprachenlernens auf den Gebrauch der Konkreten Poesie eingestellt ist. 4. Stufen International Auch in der Lehrwerkreihe „Stufen International“ wird in verschiedenen Kapiteln die Konkrete Poesie eingesetzt. Im 5. Kapitel von „Stufen International 1“ ist z.B. das Gedicht „lichtung“ von Ernst Jandl zu sehen (Vorderwülbecke und Vorderwülbecke 1995a, 65). manche meinen lechts und rinks kann man nicht velwechern. werch ein illtum! 196 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 Dieses Gedicht, das ein bisher neues Lernziel der Konkreten Poesie im Fremdsprachenunterricht anstrebt, befindet sich im Orthographie-Teil. Von den Fremdsprachenlernern wird in der dazugehörigen Übung verlangt, dass sie das Gedicht korrigieren. Des Weiteren kann der Lehrer, laut Lehrerhandbuch, fragen, was den Kursteilnehmern an diesem Gedicht alles auffällt. Damit möchte er die Lernenden motivieren und sie dazu bringen, dass sie selbst die Kleinschreibung, die umgekehrte Verwendung von „l“ und „r“ usw. herausfinden. Außerdem kann der Lehrer auch fragen, was man außer Richtungsangaben noch mit „rechts“ und „links“ bezeichnet (vgl. Vorderwülbecke und Vorderwülbecke 1996, 67). In Kapitel 10 „Familienbande“ findet man dann weitere Konkrete Gedichte. Das erste Gedicht ist „unordnung“ von Timm Ulrichs (Vorderwülbecke und Vorderwülbecke 1995a, 148). ordnung ordnung ordnung ordnung ordnung ordnung ordnung ordnung ordnung ordnung ordnung unordn g ordnung ordnung ordnung ordnung ordnung ordnung ordnung ordnung ordnung ordnung In diesem Kapitel gibt es einen Familienstreit zwischen Mutter und Tochter. Die Mutter ist böse auf ihre Tochter, weil sie ihr Zimmer nicht aufräumt und dass deshalb „Unordnung“ herrscht. Thematisch und auch visuell passt dieses Gedicht sehr gut zum Kapitel und zur Situation. Ein weiteres Gedicht ist „Ich zum Beispiel“ von Hermann Josef Schüren (Vorderwülbecke und Vorderwülbecke 1995a, 149). Weiß schon lange nicht mehr, was ich will. Weiß nicht, was ich will. Will nicht, was ich weiß. Will schon lange nicht mehr, was ich kann. Will nicht, was ich kann. Kann nicht, was ich will. 197 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 Kann schon lange nicht mehr, was ich darf. Kann nicht, was ich darf. Darf nicht, was ich kann. Darf schon lange nicht mehr, was ich tu. Darf nicht, was ich tu. Tu nicht, was ich darf. Tu schon lange nicht mehr, was ich will. Tu nicht, was ich will. Will nicht, was ich tu. Will schon lange nicht mehr, was ich soll. Will nicht, was ich soll. Soll nicht, was ich will. Dieses Gedicht steht auch im selben Kapitel, in dem familiäre Beziehungen und Konflikte thematisiert werden. Zuerst wird von den Lernenden erwartet, dass sie sich Gedanken über das Gedicht machen und Fragen beantworten, wie z.B. „Wer ist „ich“ in diesem Gedicht?“, „Wie alt könnte die Person sein?“, „In welcher Lebenssituation ist sie?“ usw. Natürlich wird hierbei davon ausgegangen, dass die Lernenden Parallelen zu ihrem eigenen Leben und den Beziehungen mit ihrer eigenen Familie finden. Deshalb ist es auch ein Text, der Jugendliche anspricht, da alle mit dieser oder ähnlichen Situationen in ihrem eigenen Leben konfrontiert sind. Gerade die Modalverben „dürfen“, „wollen“, „können“, „sollen“ usw. passen sehr gut zu diesem Thema. Mit ihnen können Lernende sich zu diesem Thema sehr gut äußern. Im Grammatikteil werden dann diese Modalverben tiefgreifender behandelt. Hier sehen wir also auch, dass die Konkrete Poesie in gewissem Maße zur Festigung von Grammatikregeln dienen kann. Danach wird von den Kursteilnehmern erwartet, dass sie selbst ein Gedicht nach diesem Muster schreiben. Hier kann gesehen werden, dass ein konkreter Text als Vorgabe dient und als Mittel benutzt wird, die kreative Schreibfertigkeit und –fähigkeit zu fördern. In Kapitel 14 von „Stufen International 2“ wird dasselbe Gedicht Ernst Jandls verwendet, welches auch schon in „Moment mal“ (siehe „Teil 3“) thematisiert wurde. Es heißt „fünfter sein“ (vgl. Vorderwülbecke und Vorderwülbecke 1995b, 82). In diesem Kapitel wird das Gedicht 198 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 inhaltsbezogen zum Stoff dieses Kapitels eingesetzt. Die Kursteilnehmer lernen Situationen, Texte und Redemittel zum Thema „Beim Arzt“ kennen. Sie müssen sich Gedanken machen, was ihnen zum Thema „Krankheit“ einfällt. Das ganze Thema wird somit mit diesem Gedicht Jandls unterstützt. In Kapitel 19 von „Stufen International 2“ folgt wieder ein konkretes Gedicht von Ernst Jandl, nämlich „aschenbecher“, (Vorderwülbecke und Vorderwülbecke 1995b, 160): asche zigarettenreste abgebrannte streichhölzer. den aschenbecher hinaustragen. den aschenbecher ausleeren. schmutzige teller in der küche schmutzige messer schmutzige tassen. das geschirr abwaschen. das geschirr stehenlassen. käsebrote wurstbrote mit fisch. anrichten, auftragen. wollen sie nicht zugreifen? abräumen. aschenbecher streichölzer pappschachteln zigaretten. anzünden. ausblasen. einatmen. ausblasen. ein kopf zwei köpfe drei köpfe mein kopf einatmend, ausblasend. und was ist ihre meinung ... ? rauch blasend. ein abschied zwei abschiede dreiabschiede mich hat es SO gefreut – lassen sie sich wieder ansehen, gelegentlich. asche zigarettenreste abgebrannte streichhölzer. den aschenbecher hinaustragen. und absagen. allen absagen 199 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 Auch bei diesem Gedicht sollen die Kursteilnehmer es zuerst lesen und sich Gedanken über die Form machen. Somit werden Kursteilnehmer mit literarischen Texten vertraut gemacht. Sie haben gegen Ende des zweiten Buches einen gewissen Wortschatz erlernt und können jetzt besser diskutieren. Deshalb können, wie auch im Literaturunterricht üblich, inhaltsbezogene Fragen an den Lerner gestellt werden. Fragen wie „Welche Situation liegt dem Gedicht zugrunde?“, „Wer spricht hier?“, „Mit wem spricht die Person?“ und „In welcher Stimmung ist sie?“ sind nicht mehr verfremdend für die Kursteilnehmer. Außerdem wird in der Übung auch verlangt, dass die Lerner Vergleiche zwischen der ersten und der letzten Strophe ziehen. Es wird eindeutig danach gefragt, wie sie die letzte Zeile des Gedichts verstehen. Man kann hier beobachten, dass dieses Gedicht nicht nur als Mittel des Fremdsprachenlehrens betrachtet wird. In gewisser Hinsicht sind hier schon Parallelen zum Literaturunterricht vorhanden, da von den Kursteilnehmern Interpretationen, Vergleiche und Analysen gefordert werden. In der gesamten Lehrwerkreihe „Stufen International“ findet man ein wirklich reiches Angebot an Konkreter Poesie. In „Stufen International 3“ gibt es auch konkrete Gedichte. Das erste davon finden wir in Kapitel 22. Es ist ein weiteres Gedicht von Jandl und heißt „Markierung einer Wende“ (Vorderwülbecke 42): 1944 1945 krieg krieg krieg krieg krieg krieg krieg krieg krieg mai krieg krieg krieg krieg krieg krieg krieg In diesem Kapitel geht es um den Krieg und den Frieden. Es wird von den Kursteilnehmern erwartet, dass sie versuchen, das Gedicht zu interpretieren. Diesbezüglich bietet das Buch auch Fragen als Hilfe an, das Gedicht richtig 200 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 zu interpretieren. Fragen wie z.B. „Was bedeuten die Jahreszahlen?“ und „Hat die Anzahl der Wörter „Krieg“ eine Bedeutung?“ sind eine große Hilfe zum Entschlüsseln des Inhaltes. Hierdurch wird dem Fremdsprachenlerner klar, dass die Jahreszahlen im Gedicht für die Zeit des zweiten Weltkrieges stehen und dass jedes Wort (Krieg) einen Monat des Jahres symbolisiert. Letztendlich steht am Ende der Monat „Mai“ ausgeschrieben, weil der Krieg im Mai 1945 endete. Nach diesem Gedicht folgt auf der gleichen Seite dieses Mal ein Gedicht, das den Frieden thematisiert. Es ist ein Gedicht von Josef Reding und heißt „Friede“, (Vorderwülbecke 42): „Bloß keinen Zank und keinen Streit!“ Das heißt auf englisch ganz einfach PEACE und auf französisch PAIX und auf russisch MIR und auf hebräisch SHALOM und auf deutsch FRIEDE oder: „Du, komm, laß uns zusammen spielen, zusammen sprechen, zusammen singen, zusammen essen, zusammen trinken und zusammen leben, damit wir leben.“ Dieses Gedicht steht im thematischen Gegensatz zu Jandls Gedicht „Markierung einer Wende“. Auch hier wird von den Studierenden erwartet, 201 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 dass sie es zuerst lesen und sich nachher Gedanken machen. Jeder Fremdsprachenlerner soll dem Gedicht das Wort „Friede“ in seiner eigenen Muttersprache hinzufügen. Danach soll jeder Kursteilnehmer sein eigenes Gedicht zum Thema Krieg und Frieden schreiben. Versucht wird hier, dass die Kursteilnehmer anhand von literarischen Vorgaben als Muster ihr eigenes Gedicht kreativ gestalten. Ein weiteres Gedicht der Konkreten Poesie in Stufen „International 3“ ist „empfindungswörter“ von R.O.Wiemer (vgl. Vorderwülbecke 97), welches auch schon in „Teil 2“ zitiert wurde. Dieses Gedicht finden wir in Kapitel 26 im Phonetikteil von „Stufen International 3“. Die Kursteilnehmer sollen die Empfindungswörter der deutschen Sprache kennen lernen. Hierzu dient ein konkretes Gedicht. Das Gedicht soll einmal gelesen und anschließend als Hörtext behandelt werden. In weiteren Übungen zu diesem Gedicht sollen sie sich für jede Zeile einen Kontext überlegen. Es wird z.B. vorgeschlagen, dass sie Kurzdialoge schreiben, wo sie selbst diese Empfindungswörter benutzen. Wieder sehen wir, dass damit die Schreibfähigkeit gefördert wird. Interessant ist auch das Kapitel von „Stufen International 3“, in dem deutschsprachige Literatur des 20. Jahrhunderts vorgestellt wird. Hier wird auch der österreichische Dichter „Ernst Jandl“ erwähnt. Es wird gesagt, dass er bekannt durch Gedichte mit akustischen und visuellen Spielmöglichkeiten ist und dass er zu den führenden Vertretern der österreichischen experimentellen Literatur zählt (vgl. Vorderwülbecke 121). Schließlich wird den Fremdsprachenlernenden zur Diskussion gestellt, ob man literarische Texte im Fremdsprachenunterricht lesen sollte oder nicht. Wie zu sehen ist, ist „Stufen International“ eine Lehrwerkreihe für Deutsch als Fremdsprache, die in vielen Kapiteln und zu vielen Themen Gebrauch von der Konkreten Poesie macht. Wir können in dieser Lehrwerkreihe ganz genau mitverfolgen, wie vielseitig der Einsatz und der Gebrauch der Konkreten Poesie sind und was für verschiedenartige Lernziele mit ihr erreicht werden können. 5. Zur Darstellung der Konkreten Poesie in den einzelnen Lehrwerken Bei der Untersuchung der Anwendung der Konkreten Poesie in den für diese Arbeit ausgesuchten Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache sind Gemeinsamkeiten aber auch Andersartigkeiten festzustellen. 202 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 In der Lehrwerkreihe „Moment mal“ ist es auffallend, dass sich „Moment mal 1“ sehr intensiv mit der Konkreten Poesie auseinandersetzt. Es werden in mehreren Kapiteln von „Moment mal 1“ konkrete Gedichte benutzt. Meistens jedoch werden diese in den Wortschatz- und Ausspracheteilen der verschiedenen Kapitel eingesetzt. Nur an wenigen Stellen dienen die Übungen dazu, das kreative Schreiben zu fördern. Bemerkenswert ist, dass nach einer bestimmten Anzahl von konkreter Lyrik in „Moment mal 1“, jedoch in „Band 2 und 3“ kaum konkrete Lyrik eingesetzt wird. Bei der Lehrwerkreihe „Stufen International“ aber kommen in allen drei Bänden immer wieder konkrete Gedichte vor, wobei diese eine viel tiefgreifendere Anwendung als in „Moment mal“ finden. Die Übungen sind anspruchsvoller und haben einen höheren Wert bei der Förderung des kreativen und selbständigen Schreibens (siehe Teil 4). Nicht nur in Aussprache und Wortschatz, sondern auch in Grammatik und sogar Literatur versucht „Stufen International“, den Lernenden mit Hilfe der Konkreten Poesie weiterzuhelfen. „Stufen International“ könnte man somit für Vorbereitungsklassen und somit für Studienfächer weiterempfehlen, in denen im weiterführenden Studium der Literaturunterricht einen besonderen Platz einnimmt. Bei „Stufen International“ ist festzustellen, dass mit dem immer erweiterten Wortschatz auch die Literatur im Allgemeinen einen wichtigeren Platz einnimmt. Dienen konkrete Gedichte anfangs mehr dem Fremdsprachenerwerb, so werden sie mit der Zeit auch mehr literaturwissenschaftlich eingesetzt. Bei „Deutsch aktiv Neu“ sind die konkreten Gedichte im ersten häufiger eingesetzt als in den weiteren Bänden. In dieser Hinsicht könnte man diese Lehrwerkreihe eher mit „Moment mal“ vergleichen. Jedoch sind in „Deutsch aktiv Neu“ kaum Übungen vorhanden. Wichtig ist bei dieser Lehrwerkreihe, dass der Lehrer hier sehr aktiv sein muss, denn die meisten Übungsanregungen sind in den Lehrerhandreichungen zu finden. Deshalb könnte dies als ein Nachteil betrachtet werden, denn somit ist eine selbständige Arbeit mit diesen Texten für die Lernenden ausgeschlossen. Die Übungsanregungen in den Lehrerhand-reichungen sind aber auch nicht so umfangreich und ausgebaut wie in „Stufen International“. Außer „Moment mal“, „Stufen International“ und „Deutsch aktiv Neu“ wurden auch die Lehrwerkreihen „Passwort Deutsch“ und „Themen neu“ zusätzlich untersucht. Bei der Lehrwerkreihe „Themen neu“ ist es interessant, dass konkrete Texte nur in dem ersten von drei Kursbüchern eingesetzt werden. Es sind zwei Texte, von denen der erste in Lektion 1 und der zweite in Lektion 4 steht. Es werden jedoch keine Angaben über die 203 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 Verfasser der Texte gegeben. Der erste Text heißt „Wer bin ich?“ (Aufderstraße und andere 19): Wer bin ich? Wer bin ich denn? Bin ich ...? Oder bin ich ...? Bin ich vielleicht ...? Ach was – ICH BIN. Dieser Text wird ohne Übungen nur zum Lesen angeboten, jedoch finden wir auf derselben Seite einen Verweis auf die Kassette zum Kursbuch 1. Dasselbe trifft auch für den zweiten Text „Wir macher“ zu, (Aufderstraße und andere 56): ich mache Sport du machst Yoga er macht Politik sie macht Theater wir alle machen Fehler ihr alle macht Dummheiten sie alle machen Quatsch Da die Lehrwerkreihe „Themen neu“ nur an zwei Stellen im „Kursbuch 1“ Gebrauch von Konkreten Poesie ähnlichen Texten macht, konnte diese Lehrwerkreihe auch nicht eigenständig untersucht werden. Bei der Lehrwerkreihe „Passwort Deutsch“ hingegen fallen jegliche Arten literarischer Texte komplett aus. Aus diesem Grund konnte auch dieses Lehrwerk diesbezüglich nicht bearbeitet werden. 6. Schluss In Lehrwerkreihen für DaF wird des Öfteren Gebrauch von der Konkreten Poesie gemacht. In Wortschatzteilen - zur leichteren Erlernung des fremden Wortmaterials, in Grammatikteilen - zur Festigung gewisser grammatikalischer Regeln, in Ausspracheteilen - als Hör- oder Leseproben, aber auch als „narrative Kompetenz“ entwickelnde Texte für Gruppen- oder Klassendiskussionen werden diese Gedichte in den Lehrwerken für Deutsch 204 O. Özmut / Eğitim Fakültesi Dergisi XVIII (1), 2005, 181-206 als Fremdsprache eingesetzt. Zudem sollte in Betracht gezogen werden, dass diese Textsorte landeskundliche Elemente beinhaltet. Die Konkrete Poesie kann somit beim Erwerb einer Fremdsprache erheblich viel beitragen. Lehrkräfte und Fremdsprachenlerner gehen jedoch meistens nicht auf die Konkrete Poesie ein, in besten Fällen wird das konkrete Gedicht einmal gelesen und kurz interpretiert. Lehrkräfte müssten sich mit dieser Lyrik mehr auseinandersetzen, vor allem aber Fremdsprachenlehrer und Methodik und Didaktiker, denn die Konkrete Poesie bietet sehr viele Möglichkeiten beim Erlernen einer Fremdsprache. Es macht Spaß, im Unterricht mit solchen Texten zu arbeiten und die Konkrete Poesie baut Ängste ab und wirkt motivierend auf die Lerner. Es wäre also ein großer Verlust für die auszubildenden zukünftigen Fremdsprachenlehrer an den DaF-Abteilungen in der Türkei, wenn diese während ihres Studiums nicht in Berührung mit der Konkreten Poesie geraten und später, wenn sie selbst einmal Lehrer sind, ihren Schülern diese Lyrik nicht vorstellen können. Andererseits sollten Verlage nicht nur zerstreut oder ohne Zusammenhang von der Konkreten Poesie Gebrauch machen, sondern intensiver auf die Konkrete Poesie eingehen und diese zu einem systematischen Programm in ihrem ganzen Lehrwerkkonzept ausarbeiten. 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